Hacker Motormuli M80

In den letzten Jahren haben Oberst a.D. Prof. Peter Mulacz und Prof. i.R. OStR Dipl.Ing. Adolf Staufer (+) umfangreiches Recherchematerial über die Geschichte des Motormulis und seines Konstrukteurs Oskar Hacker zusammengetragen und in einer eigenen Homepage publiziert (https://www.molln.cc/motormuli/index.php).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelte der österreichische Konstrukteur Dipl.-Ing. Oskar Hacker erst in Wien und ab 1950/51 in Molln/OÖ auf Basis seiner Erfahrungen bei der Entwicklung des während des Krieges gebauten „Raupenschlepper Ost“ (RSO) einen Forst-Schlepper auf Kettenlaufwerk, das „Motor Muli“.

RSO - Raupenschlepper Ost
RSO - Raupenschlepper Ost

Das Fahrzeug wurde in vielen Varianten angeboten, als M30 mit 30PS/2-Zylindermotor und als M60 mit 60PS/4-Zylindermotoren von Steyr, später folgte mit dem M80 eine stärkere Variante mit 80PS Motor. Zwei Laufwerkstypen wurden gebaut, einerseits ein Atkinson-Laufwerk mit fünf bzw. sechs kleinen Laufrollen an Tragebalken, andererseits ein an den RSO-angelehnten Laufwerk mit vier großen Einzel-Laufrollen. Das auf die Konstruktion der in der Zwischenkriegszeit von Oskar Hacker mitentwickelten Austro-Daimler Motor-Karrette (ADMK) basierende Atkinson-Laufwerk wurde nach den ersten ca. 40 gebauten Motormulis als zu anfällig aufgegeben.

Die vom RSO übernommene Antriebstechnik bestand aus einer mittig längs neben dem Fahrer eingebauten Motor/Schaltgetriebe-Kombination, einem hinten liegenden Umlenkgetriebe und vorne eingebauten Winkeltrieben mit Lenkbremsen. Das Fahrzeug verfügt über zwei Lenk-Kupplungshebel, Handgas, eine fußbetätigte Schaltkupplung sowie zwei fußbetätigte Lenkbremsen.

Lasttragede Raupenschlepper
Lasttragende Raupenschlepper

Das Bundesheer hatte mehrere Motormulis in Erprobung, sowohl mit aufgebauten Erdbohrberäten als auch mit einem Grabenpflug zum schnellen Anlegen von Kriechgräben.

Motormuli M80
Motormuli M80
Motormuli M80
Motormuli M80

Zivil kam das Muli hauptsächlich im Forstbetrieb zum Einsatz, leider war der Motormuli Komm-Ges. kein allzu langes Leben beschieden, wodurch auch nur eine begrenzte Anzahl an „Mulis“ gebaut wurde. Heute dürften sich in Österreich noch ca. 5-6 fahrfähige Motormulis befinden, drei davon bei unseren Mitgliedern sowie ein weiteres in der Autobus-Sammlung der Österreichischen Post, welches mit einem geschlossenen Aufbau zur Personenbeförderung versehen wurde.

Motormuli - Autobus-Sammlung der Österreichischen Post
Motormuli - Autobus-Sammlung der Österreichischen Post

Ein weiteres Einsatzgebiet der Muli-Fahrwerkstechnik fand sich im Rahmen der Großglockner-Hochalpenstraße. Hofrat Franz Friedrich Wallack, der Erbauer der Hochalpenstraße 1930-1935, beschäftigte sich Anfang der 1950er Jahre mit der Suche nach einer maschinellen Lösung für die Schneeräumung der Straße im Frühjahr. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde diese Aufgabe von über 300 Personen händisch erledigt, 1952 stellte Wallack die Rotations-Schneefräse vor, zwischen 1953 und 1963 wurden insgesamt fünf Fahrzeuge in Dienst gestellt. Für das Kettenlaufwerk griff Wallack auf das System Motormuli zurück, allerdings wurde der 6-Zylinder Saurer Fahrmotor aus der Wanne entfernt und zusammen mit zwei weiteren Saurer-Motoren auf einen Oberwagen transferiert, welcher über ein Kugelgelenk im Fahrzeugheck und zwei Hydraulik-Hubzylinder in der Fahrzeugfront alle Motoren sowie das Fräs- und Schleuderwerk trägt. Der Kettenantrieb erfolgte nunmehr über Hydraulikmotoren, diese Fahrwerke trugen die Bezeichnung M100 (was nicht ganz exakt war, da die verbauten Saurer Motoren eine Leistung von 125 PS erreichten). Vier dieser Fräsen sind heute noch bei der Großglockner-Hochalpenstraße in Betrieb, das fünfte (und älteste) Fahrzeuge befindet sich seit 2010 als Dauerleihgabe im Salzburger Freilichtmuseum in Großgmain.

Der Eisbändiger – ein Motormuli M100 als Basis für extreme Schneeräumung
Der Eisbändiger – ein Motormuli M100 als Basis für extreme Schneeräumung

Mit dem Ende der Motormuli KG wurden sämtliche Konstruktionsunterlagen an die Saurerwerke in Wien übergeben. Auch Oskar Hacker selbst wechselte zuerst zu Saurer und später zur VÖEST, mit ihm gingen auch einige der Motormuli Konstrukteure zu den Saurer Werken. Es scheint, als ob Saurer – aufgrund der bis 1955 bestehenden Einschränkungen bei der Entwicklung von Panzerfahrzeugen – die ersten Entwicklungsschritte auf dem Weg zum Saurer Schützenpanzer über den Umweg eines „Saurer Motormuli“ Forstschleppers machte. Aus dieser Zeit stammt auch das folgende Bild, welches ein Saurer Muli bereits mit SPz Laufrollen zeigt.

Saurer Muli M80, bereits mit SPz Laufrollen und einem an der rechten Fahrzeugseite nach hinten gezogenen Auspuff
Saurer Muli M80, bereits mit SPz Laufrollen und einem an der rechten Fahrzeugseite nach hinten gezogenen Auspuff

Schneeräumung auf der Großglockner Hochalpenstraße 2019

Weitere Videos dieser österreichischen Fahrzeuglegenden finden Sie in unserer Video-Sammlung.

Eines unserer Fahrzeuge ist aktuell als Leihgabe in der neuen Panzerhalle des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) im Wiener Arsenal ausgestellt (geöffnet jeden ersten Sonntag im Monat, siehe auch www.hgm.at).